Was, wenn etwas passiert?


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Wann haben wir eigentlich aufgehört zu lernen, was wir tun können, wenn etwas passiert?


Diese Frage beschäftigt mich seit einer Fachtagung, die kürzlich stattgefunden hat.

Ich durfte vor 120 Mediziner:innen, Therapeut:innen, Psycholog:innen, Lehrkräften, Menschen aus der Jugendsozialarbeit, Familienberatung und Krisenintervention sprechen.  

Das Thema des Tages war „digitaler Kinderschutz“. 

Wir sprachen über die größten Sorgen und wichtigsten Fragestellungen, die Eltern beschäftigen. Und eine Frage dominierte gesamten Tag: 

Was ist, wenn etwas passiert? 

Die Universalsorge!

Es könnte ja etwas sein. 

Was ist im Notfall?

Egal wo ich bin, egal worüber ich spreche, diese Sorge wird immer (meistens direkt, manchmal zwischen den Zeilen) ausgesprochen.

Und ich frage mich: 

Wann haben wir aufgehört zu lernen, was wir tun, wenn etwas passiert?

Wie war das bei dir früher?

Meine Eltern haben das Thema genauer zerlegt. Was könnte passieren? Und was machen wir dann?
Zum Beispiel bei Familienausflügen an weitläufigen oder unübersichtlichen Orten. 
„Wenn wir uns verlieren, treffen wir uns bei diesem Turm, Fahnenmast oder bei dieser Statue“ (irgendein einprägsamer Ort, der gut sichtbar war). 

Verlass dich nicht auf Handys, smarte Uhren oder Airtags. 

Zeig deinem Kind lieber, was es tun kann, „wenn etwas passiert“. 

Und: Was ist eigentlich ein Notfall? Und was nicht?

Bereite dein Kind darauf vor, dass nicht immer alles nach Plan läuft. 

Dass manchmal unerwartete Dinge passieren. Aber dass das nicht immer gleich schlimm sein muss, sondern dass es Lösungen gibt. 

Lerne deinem Kind ein paar

Handlungsalternativen für unerwartete Zwischenfälle

  • Wenn die Schule früher aus ist. 
  • Wenn dein Bus nicht kommt. 
  • Wenn ich überraschend nicht zuhause bin, wenn du kommst. 

Brecht diesen undefinierten Angst-Notfall auf und sprecht darüber: Was kann sein, womit man vorher nicht rechnet?

Und ich sag euch noch etwas: eure Kinder werden nicht selbständig, wenn sie jede Kleinigkeit von Google, der Chat-AI oder irgendeiner App lösen lassen. 

Ich denke jetzt an Nova, das Mädchen aus der ORF DOk1 „3 Wochen Handy-Entzug“. Sie fährt jeden Tag mit dem Auto zur Schule und in ihrer Umgebung zu Freunden und Verwandten. Ohne ihr Smartphone-Navi findet sie plötzlich den Weg nicht mehr und verfährt sich. 

Was passiert?

Sie bleibt stehen, beginnt zu weinen und ruft (mit dem Tastenhandy) ihre Mama an. Die Mama hilft ihr, sich zu orientieren und den Weg wiederzufinden. 

Einer 18-Jährigen. Die es nicht schafft, sich in der Nähe ihres Wohnortes alleine zu orientieren. Oder jemanden nach dem Weg zu fragen. 

Denkt an solche Momente, wenn ihr denkt, dass ein Handy oder Smartphone ein gutes Hilfsmittel für alle Notfälle ist. 

Und überlegt euch, in welche Not ihr euer Kind vielleicht bringt, wenn das Gerät nicht verfügbar ist.

Wenn Kinder früh lernen, die ganze Verantwortung an Geräte abgeben. 

  • Was mache ich, wenn mein Handy-Akku leer ist, ich das Handy nicht finde oder es kaputt, gestohlen, unbrauchbar ist?
     
  • Kenne ich den Heimweg ohne Google Maps?
     
  • Kann ich ohne Online-Fahrplan heimfahren?
     
  • Weiß ich, wie man ohne Handy eine Fahrkarte kauft?
     
  • Traue ich mich, die fremde Frau auf der Straße anzusprechen, damit sie mich telefonieren lässt?
     
  • Kann ich die wichtigsten 2-3 Nummern auswendig?

Dass sich dein Kind selbst – ohne Handy und ohne Notfallknopf an der Smartwatch – in unerwarteten Situationen zu helfen weiß, ist eine wichtige Fähigkeit. 

Was soll dein Kind später alles können? Mit 16? Mit 18? 

Und was ist ein echter Notfall?

Sprecht zuhause darüber: was passieren kann, und wie man sich (ohne Handy) helfen kann.