Eine Einordnung und ein paar Gedanken zur Diskussion.
Seit 10. Dezember sind in Australien mehrere Social Media-Plattformen für unter 16-Jährige verboten. Darunter u.a. TikTok, Snapchat und Instagram.
Nachdem ich letzte Woche wieder bei Guten Morgen Österreich zu dem Thema geladen war, habe ich für euch ein paar Gedanken zum Thema „Verbote“ zusammengestellt, inklusive 5 Fragen und ein paar Tipps für dich, damit du zuhause nicht ausgetrickst wirst.
Zum Einstieg eine kurze Erinnerung:
Jugendschutz existiert im Internet (derzeit) nicht
Smarte Geräte sind zwar kinderleicht zu verwenden. Schon 2-Jährige lernen in ein paar Minuten, wie man wischt und tippt. Die Geräte sind jedoch für Erwachsene gebaut, sie sind, by design, nicht sicher für Kinder.
Die gleiche Situation haben wir im Internet: Das Internet ist eine Welt für Erwachsene. Mit allen Themen und Gefahren, die es in der realen Welt gibt. Es gibt einige Ecken, die auch für Kinder und Jugendliche OK sind. Das Internet ist aber grundsätzlich kein sicherer Spielplatz.
Alle Kinder und Jugendlichen, die unbegleitet online sind, bewegen sich in einer Welt in der sie potenziell jeder Zeit mit fremden Erwachsenen, Gewalt, Porno, Hate, Fake News, .. in Kontakt kommen können.
Soziale Netzwerke sind eigentlich schon beschränkt (interessiert nur niemanden)
Laut EU-Datenschutzgrundverordnung dürfen Apps und Netzwerke keine Daten von unter 16-Jährigen sammeln und speichern.
Die EU hat den Mitgliedsländern freigestellt, dieses Alter nochmal selbst anzupassen. Österreich hat es auf 14 Jahre festgesetzt.
Vor diesem Alter dürfen Jugendliche dort keine Konten anlegen.
Zusätzlich regelt die EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, dass „die Anbieter ‚angemessene‘ Maßnahmen treffen müssen, um Kinder und Jugendliche vor schädlichen Inhalten zu schützen, zum Beispiel vor pornografischen und indizierten Inhalten.“
Verbote sind im Jugendschutz nichts neues
Dass wir Zugang zu Pornografie, Gewaltinhalten, Glücksspiel und Suchtmitteln für Jugendliche regulieren und es Gesetze zur Aufsichtspflicht oder Ausgehzeiten gibt, sind wir gewöhnt.
Erreichen oder schützen wir damit 100% der Kinder und Jugendlichen?
Natürlich nicht.
Würden wir deshalb jetzt alles deregulieren und öffnen?
Nein.
Viele Verbote (z. B. Alkohol unter 16 oder Drogenkonsum) sind sinnvoll, es geht darum, Schaden abzuwenden und zu schützen.
Wird ein Social Media-Verbot alle Probleme lösen?
Nein. Aber es kann ein erster Schritt oder Teil einer größeren Lösung sein.
Wie müssten die Netzwerke aussehen, damit sie für junge Menschen sicher sind?
Inhalte müssten stark moderiert und gefiltert werden.
Bei der Erstellung eines Kontos müsste sichergestellt sein, dass sich Kinder unter 14 oder 16 gar nicht anmelden können.
Für Minderjährige müsste es zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen gegen Grooming, Hate und Mobbing geben.
Die App-Anbieter müssten sicherstellen, dass extreme Nutzungszeiten von Kindern (z. B. ab einer gewissen Dauer und in der Nacht) verhindert werden.
Die Kontaktaufnahme zwischen fremden Nutzer:innen müsste für die Konten von Jugendlichen altersgemäß eingeschränkt werden.
Teilhabe ja, aber unter sicheren, kontrollierten Bedingungen
Organisationen, die Kinder unterstützen argumentieren gerne mit dem Recht auf Teilhabe im digitalen Raum. Damit hätte ich gar kein Problem.
Wenn der Raum sicher für Kinder wäre.
Ist er aber nicht.
Jugendliche finden Anschluss und Zugang zu wichtigen Communities
Das stimmt definitiv.
Es gibt bestimmte Gruppen und Communities, bei denen Jugendliche online besser oder überhaupt Anschluss finden, die im Real Life in ihrer Umgebung nicht vorhanden sind. Identitätsfindung, LGBTQ+, psychische Gesundheit oder spezielle, weniger verbreitete Interessen (um nur einige wenige zu nennen) – das Internet bietet viele Möglichkeiten, es ermöglicht Zugang, Teilhabe und Kontakt zu Personen, die wir sonst nie treffen würden.
Dazu noch ein Gedanke: Ein Social Media-Verbot betrifft einige bestimmte Netzwerke. Es deaktiviert nicht das gesamte Netz.
Es schaltet nicht jede Kontaktmöglichkeit (Messaging, Emails, Foren ..) aus. Ja, viele haben sich an die Direktnachrichten in TikTok oder Insta gewöhnt. Aber es gibt noch genug andere Möglichkeiten, in Kontakt zu bleiben.
Sie werden andere Wege finden.
Verbote sind technisch gar nicht umsetzbar
Sich nichts verbieten zu lassen, war online schon immer ein Sport. Das wird auch bei jeder Einschränkung von sozialen Medien so sein. Und es hat auch immer schon Eltern gegeben, die mehr erlaubt haben als andere.
Das war auch schon vor dem Internet so. Ich finde diese Diskussion daher etwas scheinheilig.
Ja – natürlich wird es Wege geben, das zu umgehen. Genauso, wie manche ihren Schülerausweis gefälscht haben, um in Ab-16-Filme zu kommen.
Oder andere zuhause beim Familienfest mit 13 Sekt eingeschenkt bekommen.
Dann können wir es auch gleich lassen, oder?
Nein.
Etwas zu verbieten kann zu einem Kulturwandel führen. Jetzt sind die Netzwerke total normal und sogar 8- oder 9-Jährige nutzen WhatsApp, TikTok oder Snapchat.
Ein Verbot könnte, vor allem für jüngere und zukünftige Nutzer:innen eine starke Verbesserung bringen.
Wir können sie nicht vor allem beschützen
Wir brauchen uns nichts vormachen:
Ein Verbot bedeutet nicht, dass Kinder nie wieder mit nicht-altersgemäßen Inhalten in Berührung kommen.
Ich versichere dir, dein Kind wird sicher irgendwann online ganz schlechtes, ekliges oder brutales Zeug sehen.
Aber mit einem Verbot vielleicht später. Und weniger häufig. Und es verschafft uns vielleicht etwas Zeit, sie besser darauf vorzubereiten.
„Soll ich TikTok, Snapchat, YouTube oder Instagram erlauben?“
Wenn du dich noch fragst, was du erlauben kannst und was nicht, frage ich zurück:
- Habt ihr schon über Kontakt mit fremden Erwachsenen online gesprochen?
- Oder über Mobbing? Weiß dein Kind, wie es sich helfen kann?
- Kann dein Kind schon gut mit Fake News, Hass im Netz und manipulativen App-Mechanismen (z. B. den Flammen in Snapchat) umgehen?
- Habt ihr über Pornos gesprochen? Oder über extreme Fitness- und Beauty-Inhalte? Und was sie bei jungen Menschen auslösen können?
- Weiß dein Kind Bescheid, welche Inhalte verboten sind, und bei welchen Bildern die Polizei in der Schule die Handys einsammelt?
Wenn du hier mehrmals gedanklich „Nein“ gesagt hast, ist dein Kind noch nicht bereit für ein Smartphone und die Nutzung von Social Media-Apps.
Dann solltest du nicht auf ein Verbot von oben warten, sondern selbst aktiv werden.
Du entscheidest, ab wann dein Kind ein Smartphone bekommt, und welche Inhalte und Apps genutzt werden dürfen.
Du bist nämlich auch dafür verantwortlich, dass kein Schaden entsteht (und dein Kind selbst keinen Schaden anrichtet).
Trickst dein Kind dich aus?
Kinder werden sehr kreativ und betreiben einen hohen Aufwand, um Einschränkungen am Handy zu umgehen. Hier sind noch 3 Tipps für dich, damit du weißt, was bei anderen abgeht:
#1: Der Trend geht zum Zweitkonto. Eines für die Mama. Mit braven Inhalten, die man bei Bedarf herzeigen kann. Und ein richtiges Konto, auf dem alle spannenden Dinge passieren.
#2: Die meisten Netzwerke kann man auch über den Browser nutzen. Man braucht die App am Handy gar nicht. TikTok läuft auch super über den Laptop.
#3: Die Inhalte lassen sich auch über andere Apps öffnen. Z. B. über verschickte Links auf WhatsApp. Beliebt ist auch das Abfilmen oder Downloaden von Videos, dann kann man das Video direkt verschicken. Ganz ohne App und Netzwerk.
Ich hoffe, das hilft dir bei deinen Entscheidungen.